Geschichte
3-3-3, bei Issos Keilerei. Wer kennt diesen Merkspruch nicht aus der Schule? Für das ereignisreiche Jahr 1212 gibt es leider keine solche Lernhilfe. Dabei stammt aus diesem Jahr die erste Urkunde mit der schriftlichen Erwähnung von Willmenrod. Das war - zugegeben - nicht das wichtigste Ereignis in diesem Jahr.
Elfriede Munsch
Die große Politik spielte vor 800 Jahren - ähnlich wie heute - nicht in unserer Region. Damals galt das deutsche und europäische Interesse dem Machtspiel zwischen Welfen und Staufern, das Ende des Jahres 1212 mit der Krönung des Staufers Friedrich II. in Mainz zum deutschen König ein vorläufiges Ende fand. Drei Jahre später wurde er in Aachen ein zweites Mal gekrönt - diesmal mit den richtigen Reichsinsignien, die in Mainz fehlten.
Mit Friedrich II. (1194 bis 1250) verschob sich das Herrschaftszentrum nach Italien. Seit 1220 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, regierte er überwiegend von Sizilien aus. Sein politisches Handeln stand nicht immer in Kongruenz mit den Belangen seiner deutschen Fürsten. Neben seinen Interessen für Sprachen, der Falknerei sowie Medizin nahm sein "Disput" mit dem Papst um die Vormachtstellung zwischen Kirche und Kaiser viel Zeit in Anspruch.
Aber zurück ins Jahr 1212 und zu der Urkunde, die unser Dorf sozusagen an das Licht der Welt bringt und zwar im Zusammenhang mit dem Benediktinerinnenkloster Seligenstatt. Dieses bei Seck angesiedelte Kloster wurde erstmals im Jahr 1181 urkundlich erwähnt und geht vermutlich auf eine Stiftung der Grafen von Runkel zurück. Es war dem Erzbistum Trier unterstellt, um 1215 kamen die Nonnen unter die geistliche Aufsicht des Abtes von Maria Laach. Zwischen den Jahren 1212 und 1215 bestätigte man dem Kloster neben anderen Gütern einen Bauernhof (manus) in Wernbolderode (Willmenrod). Diese Urkunde hat aber die Zeit nicht überlebt, sie ist Anfang 1945 in den letzten Kriegstagen neben vielen anderen Urkunden verloren gegangen. Sie gibt es also nur noch in Abschriften. Genauso wie die noch ältere Stiftungsurkunde von Gemünden (879). Hier ist die Rede von Stiftungsgütern. Genannt werden u.a. die Dörfer Winnen, Hergenroth, Irmtraut und je nach Schreibweise der Urkundenkopisten Wilsenroth oder Willmenrod. Die beiden Dorfnamen werden noch heute gern verwechselt. Die neue Forschung geht aber davon aus, dass aufgrund der der damals bereits bestandenen und über Jahrhunderte dauernden Zugehörigkeit von Wilsenroth zum Kirchspiel Gemünden diese Ortschaft und nicht Willmenrod gemeint ist. (Gretel Köhler, Heimat am Elbbach, 1983, S. 23)
Die fehlende überlieferte Schriftlichkeit ist jedoch kein Beweis, dass es unseren Ort nicht schon früher gab. Ganz im Gegenteil: Man kann davon ausgehen, dass Willmenrod deutlich älter ist. Dafür spricht, dass hier bereits zwischen 900 und 1000 eine Kapelle aus Holz erbaut worden war. Der im Kern noch heute erhaltene Steinturm der Kirche stammt aus dem 11. Jahrhundert. Als weiteres Indiz kann die gute Anbindung des Dorfes an das damalige Straßennetz gelten. Hier stand nicht der vielzitierte Bretterzaun, um das Ende der Welt zu markieren. Der Westerwald war von einer Vielzahl von Fernstraßen durchzogen wie H. Gensicke in seinem Standardwerk "Landesgeschichte des Westerwaldes", S.17 ff aufführt. Nicht die engen und vielfach gewundenen Täler von Sieg und Lahn waren die alten Völker- und Heerstraßen. Bis tief ins 13. Jahrhundert nutzten die Menschen die Höhenwege um zu reisen. Die bedeutendste dieser frühen Straßen war die Heerstraße Antwerpen-Lüttich-Köln, die bei Siegburg den Nordwestrand des Westerwalds erreichte. Von Siegburg ging beispielsweise eine Straße über Altenkirchen, Höchstenbach, Hundsangen, Elz bis nach Limburg. Und auch Willmenrod lag an einer wichtigen Verkehrsverbindung, die sich über Weltersburg, Willmenrod, Berzhahn, Gemünden, Seck über Rennerod nach Haiger und über Gladenbach nach Oberhessen zog. (H. Gensicke, ebd. S. 20)
Die Besiedlungen in unserer Gegend haben schon deutlich früher begonnen. So stammen die in Westerburg und Bilkeim gefundenen Urnengräber aus der Hallstattzeit (ca. 700 v. Chr.). Die Ringwallanlage auf dem Dornburgplateau ist die Stadtmauer einer keltischen Siedlung und kann auf die Latènezeit (ca. 500 v. Chr.) datiert werden. Die Römer hingegen beschränkten sich auf gelegentliche Kämpfe im Westerwald, ihr Einfluss endete indes nicht an ihrem Schutzwall Limes. Handel sorgte für Kontakt zwischen den Römern und den Germanen.
Für ein höheres Alter Willmenrods kann man auch die Schreibweise Wernbolderode aus der oben erwähnten Urkunde heranziehen. Die Ortsnamenforschung datiert die Entstehung der Orte mit -rode-Endung ins 8. Jahrhundert. Der Ortsname ist wohl als Rodung des Werinbold zu deuten.
Apropos Schreibweise: Überliefert sind unterschiedliche Namensvarianten von Willmenrod wie H. Gensicke, Das Kirchspiel Willmenrod in: Nassauische Annalen, S. 205, 1959) auflistet. Neben Wernbolderode (1212) sind es: Wermilderode (1288), Wermolderodde (1297), Wemilderode (1300), Wermolderodde (1321), Wermulderode (1344), Wilmentrode (1338), Welemdrode ( um 1340), Wermiderode (1351), Welmrode (1352), Welmederodde (1353), Wylmederode (1358), Wilmerode (1364 und 1376), Wermetrode (1377 und 1386), Wilhelmrode (1416), Wilmerod (1419), Wylmeroide (1457), Wilmenrode (1534), Wilmrod (1611), Willmenrod (1712) sowie Willmenroth (1832 und 1885). Heute hat sich die erstmals 1712 ausgeführte Schreibweise offiziell durchgesetzt, was aber nicht heißt, dass trotz heutiger verbindlicher Rechtschreibregeln unser Ort nicht weiterhin recht "individuell" geschrieben wird.
Es gab aber in den folgenden Jahrhunderten nicht nur unterschiedliche Schreibweisen, sondern auch unterschiedliche Herren und Konfessionen. Ende des 13. Jahrhunderts wird erstmals Adolf von Wermilderode erwähnt. Das niederadelige Geschlecht derer zu Willmenrod lässt sich bis ins 15. Jahrhundert nachweisen. Es scheint eine wohlhabende Familie gewesen zu sein. Sie besaß u.a. Burglehen von den Herren von Westerburg (1350, 1377), von den Grafen von Sayn zu Freusburg (vor 1389) und von den Herren zu Limburg. Seit 1344 waren die von Wermilderode Lehnsleute von Nassau-Dillenburg. Bedeutend waren ihre Pfandrechte, die sie erhielten, weil sie anderen Grafen Geld leihen konnten. So hatten sie u.a. Pfandrechte an Besitzungen in Nentershausen, Meudt, Salz, Hundsangen, Höhn oder an der Mühle zu Rotenhain (um 1370). (H. Gensicke, ebd. S.206)
Ihr Wohnhaus wird an der Stelle vermutet, wo die Remise am Kirchhof steht. Ihre meterdicken Wände aus Basalt bildeten wohl das Erdgeschoss eines Wohnhauses. Nach dem 15. Jahrhundert gibt es keine Zeugnisse mehr über diese Familie. Sie ist offensichtlich erloschen.
Danach begann ein Hin- und Her zwischen den verschiedenen Herrschaften sowie - bedingt durch die neue Lehre Luthers - Konfessionszugehörigkeiten. Seit 1557 gehörte das Willmenröder Kirchenspiel genauso wie das von Salz zu Dreiviertel zum Haus Nassau-Dillenburg. Sieben Jahre später kam Willmenrod im Vertrag zu Diez ganz zu Nassau-Dillenburg, Salz fiel an Kurtrier. In Willmenrod setzte sich die lutherische Lehre durch. Aber schon kurze Zeit später musste sich die Einwohner wieder umgewöhnen. Nassau-Dillenburg trat zur reformierten Lehre über, damit wurde Willmenrod ebenfalls reformiert. Doch so ganz scheinen die Willmenröder von der strengeren evangelischen Glaubensauslegung nicht überzeugt gewesen zu sein. Noch um 1582 klagte man über "Abgotterei und Aberglaube", die in Willmenrod mit dem St. Dionisii Bild betätigt würde. (H. Gensicke, ebd. S. 203)
Seit 1611 hatten die Westerburger das Sagen über das Kirchspiel. Diese waren zwar lutherisch, doch der reformierte Pfarrer durfte zunächst sein Amt behalten. Sein Rückhalt in der Gemeinde schien aber nicht sonderlich groß gewesen zu sein, man drohte sogar, lieber katholisch zu werden als weiterhin den reformierten Pfarrer zu ertragen. Mittlerweile hatten jedoch die Kriegsauswirkungen des 30-Jährigen-Krieges (1618 bis 1648) den Ort erreicht. Plündernde und mordende Soldaten gleich welcher Konfession zogen durch den Westerwald, Hungersnöte und die Pest im Gefolge.1639 zählte man im Ort noch vier Ehepaare und vier Witwen. (Gretel Köhler, ebd. S. 24)
1644 verkaufte Reinhard von Leiningen-Westerburg für 4.000 Gulden das Kirchenspiel Willmenrod an Johann Ludwig von Nassau-Hadamar. Dieser war zum katholischen Glauben übergetreten und schickte gleich einen katholischen Geistlichen. 1667 kam Willmenrod nach längeren Rechtstreitigkeiten zurück nach Westerburg und - man ahnt es schon - der nächste Pfarrer predigte wieder nach der lutherischen Lehre.
In den nächsten Jahren blieb es vergleichsweise ruhig. Die Auswirkungen der Napoleonischen Kriege brachten jedoch wieder größere Veränderungen nach Willmenrod. 1806 gelangte man unter die Herrschaft des neu geschaffenen Großherzogtums Berg, das ab 1808 direkt von Kaiser Napoleon verwaltet wurde. Noch heute kann man den französischen Einfluss jeden Tag sehen. Nach dem Großbrand von 1805 (siehe auch "Freiwillige Feuerwehr") wurde der Wiederaufbau des Dorfes mit geraden Straßenverlauf sowie genügend Abstand zwischen den einzelnen Häusern nach französischen Vorschriften ordentlich geplant.
Mit der Niederlage Napoleons wechselte die Obrigkeit wieder: Nach einem Intermezzo mit dem Fürsten von Oranien-Nassau (1813) gehörte Willmenrod ab 1815 zum Herzogtum Nassau. Doch die Kriegslasten hatten das Land ausgezehrt. 1816 gab es eine große Hungersnot, 1828 traten Viehseuchen auf, die ein Jahr später wieder zu einer Hungersnot führte. Als ob das nicht genug gewesen wäre, war der Winter 1829/30 extrem streng und langanhaltend, sodass im Herzogtum Nassau eine Landeskollekte für die Westerwälder durchgeführt wurde. (Gretel Köhler, ebd. S.57)
Aufgrund der schwierigen Lebensverhältnisse entschlossen sich Mitte des 19. Jahrhunderts auch viele Willmenröder nach Amerika auszuwandern. (siehe auch "Erfolgreich am Rad gedreht")
1866 mussten sich die Willmenröder erneut an neue Herrschaftsverhältnisse gewöhnen. Nachdem Herzog Adolf von Nassau im Krieg Österreich gegen Preußen auf Seiten der Verlierer gestanden hatte, verlor er sein Herzogtum an die preußischen Sieger. Es wurde dem Königreich Preußen einverleibt und bildete den Regierungsbezirk Wiesbaden der Provinz Hessen-Nassau. (H. Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, S. 490)
Diese Zugehörigkeit hatte bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Bestand. Am 1. April 1944 wurde die Doppelprovinz Hessen-Nassau aufgelöst und die selbständigen Provinzen Kurhessen und Nassau gebildet. Nach Kriegsende übernahm zunächst die amerikanische, dann ab 10. Juli 1945 die französische Militärregierung die Verwaltung. Am 18. Mai 1947 trat die Verfassung von Rheinland-Pfalz in Kraft. Als Teil des früher nassauischen Kreises Oberwesterwald gehört der Ort seitdem zu diesem Bundesland. 1972 wurde die Gemeinde Willmenrod in die Verbandsgemeinde Westerburg eingegliedert.
Wappen
Das Mühlrad steht für die ehemalige Bedeutung der 5 Mühlen. Die schräg gestellten Rauten stehen für das niederadlige Geschlecht derer von Willmenrod. Das blaue Wellenband steht für die besondere Bedeutung des Elbbaches. Die unterschiedlichen Farben stehen für die wechselnden Herrschaftsverhältnisse.
Literatur:
Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd 7, Karl Bosl, Staat, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter, München, 1983
Hellmuth Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, 3., unveränderter Nachdruck, Wiesbaden, 1999
Hellmuth Gensicke, Das Kirchspiel Willmenrod in: Nassauische Annalen, Wiesbaden 1959
Hellmuth Gensicke, 900 Jahre Seck, Marienberg, 1959
Gretel Köhler, Heimat am Elbbach, 1983
Olaf B. Rader, Friedrich der Zweite: Ein Sizilianer auf dem Kaiserthron, München, 2010